Arthur Machen | Die drei Häscher

Die Piper-Semi-Werkausgabe des erzählerischen Werkes Arthur Machens aus den 1990er Jahren ist heute unter Kennern legendär, war sie doch die einzige Möglichkeit ein breiteres Spektrum des beinahe unbekannten Arthur Machen zu ergründen. Diese sechsbändige Ausgabe wieder auf den Markt zu bringen wie es der Elfenbein Verlag jetzt tut, ist eine noble Geste, der man nicht genug Dank entgegen bringen kann, zumal sie jetzt anstatt wie früher im Taschenbuch in gediegenen Hardcovern ohne Schutzumschlag erscheint. Die neue Edition ist der alten auch in anderen Punkten überlegen (beispielsweise auch durch die sehr viel besser lesbare Schrifttype), aber – so ungern ich das angesichts des hohen Verdienstes dieser Verlegertat tue – es gilt auch von Kritikpunkten zu berichten.
Wie mir scheint, liegt die textliche Gestaltung der neuen Ausgabe allein in den Händen des Übersetzers Joachim Kalka, was einige deutliche Nachteile mit sich bringt. Kalka kennt durch seine Arbeit ohne Zweifel einen großen Teil des erzählenden Werkes Machens, aber für mich deutet nichts darauf hin, dass er darüber hinaus in die Materie eingetaucht ist. Dass man ihn beim Elfenbein Verlag offenbar ohne eine kritische Kontrolle tun lässt, was er will, lässt sich beispielsweise daran festmachen, dass in Kalkas Vorwort zum ersten Band der „Werkausgabe“, Die drei Häscher, durchgängig von dem Roman The Hill of Trouble die Rede ist und niemand merkt, dass besagter Roman The Hill of Dreams heißt. Auch präsentiert man auf dem inneren Titelblatt stolz „Mit der erstmals übersetzten Erzählung ‚Der verlorene Club‘“ den Bonus des ersten Bandes. Nur ist die Kurzgeschichte „The Lost Club“ bereits auf Deutsch erschienen, und zwar als „Der Club, den es nicht gibt“ in der Anthologie Als ich tot war. So etwas ist irgendwie peinlich und unprofessionell.
Die drei Häscher ist ein Episodenroman, der tatsächlich auf der einen Seite sehr viel besser arrangiert ist als man zunächst glaubt, auf der anderen Seite manchmal aber konzeptionell wirkt, wie eine Maschinerie, die durch Panzerklebeband zusammen gehalten wird. Man muss schon bei der Sache sein, um zu verstehen, wo der Zusammenhang der drei Häscher des Prologs und dem Haupttext besteht. Das hat Machen wirklich gut gemacht, aber wie schon in seiner berühmten Erzählung „Der große Pan“ sind die Zufälle so extrem zufällig, dass man manchmal lachen möchte, so an den Haaren herbeigezogen sind die Begegnungen der Charaktere. Es geht letztlich um einen jungen Mann, der von Mitgliedern einer okkulten Geheimgesellschaft verfolgt wird. Mitten in dieses Szenario stolpern die distinguierten Herren Dyson und Phillips, die eigentlich sonst auch nichts machen außer in seltsame Situationen zu stolpern. Man bedenke, dass wir uns in der nicht so kleinen Stadt London befinden, was aber kein Grund ist, dass die beiden immer wieder Leute treffen, die an der ganzen Affäre beteiligt sind und den beiden bei allen Gelegenheiten unheimliche Geschichten erzählen, die manchmal mit ihren Andeutungen des „kleinen Volkes“ bereits auf Machens Meisterwerk „Die weißen Gestalten“ verweisen. Denkwürdig ist insbesondere das Tentakelgewimmel der Kurzgeschichte „Roman vom schwarzen Siegel“, das wohl das Samenkorn für H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos sein dürfte, der später dann Generationen von Schriftstellern und Lesern lenken sollte.
Angesichts vieler schaurig-schöner Momente dunkler Phantastik, kann man die albernen Zufälle des Romans mit Milde betrachten. Identifikationsfiguren sowie zwischenmenschliche Interaktionen wird man in Die drei Häscher nicht finden. Aber man hat nach schockstarrer Beendigung des Buches das Gefühl, eine bedrohliche Welt, nicht ohne Schönheit, gesehen zu haben, die der Realität erschreckend nahe ist. Trotz Mängel eines der elementaren Bücher der dunklen Phantastik.

Originalausgabe: The Three Impostors (1895)
Deutsche Übersetzung: Joachim Kalka
Berlin: Elfenbein Verlag, 2019

2 Kommentare zu “Arthur Machen | Die drei Häscher

  1. Ah, schön Bei dieser Ausgabe habe ich zugeschlagen. Bisher hatte ich nicht viel von Machen gelesen. Den Band fand ich ganz nett. Das Nachwort von Kalka ist eine schöne Abrundung.

    Dass ausgerechnet der Blitz-Verlag übersehen wurde, finde ich gar nicht so … schlimm? tragisch? Ich hatte es vor kurzem mit meinem Buchhändler darüber. Blitz ist inzwischen fast eher eine Art Club bestehend aus dem Herausgeber und einer gewissen Stammklientel. Dass der Verlag unter (fast) jedermanns Radar läuft, wirkt auf mich schon fast etwas gewollt.

    Schöne Rezension, wie immer.

    Gefällt 1 Person

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