Arthur Machen | Der geheime Glanz

Der nächste Band der Semi-Werkausgabe Arthur Machens, Der geheime Glanz, ist der frustrierendste Teil der neuen Machen-Edition.
Die Machen-Forschung ist schon seit Jahrzehnten soweit zu wissen, dass Der geheime Glanz ursprünglich sechs Kapitel umfasste anstatt der vier der Originalausgabe, der die Piper-Ausgabe und jetzt sklavisch auch die des Elfenbein Verlags folgt. Arthur Machen hatte die beiden letzten Kapitel kurzfristig einfach brutal herausgerissen und durch eine zweiseitige Zusammenfassung ersetzt, ein Vorhaben, das den gesamten Roman in seiner verstümmelten Fassung inkonsistent und unvollständig erscheinen lässt.
Jetzt könnte man die Auffassung vertreten, dass der Wille des Autors Gesetz ist, basta, aber würde man das immer so sehen, hätten wir heute zum Beispiel einiges von Franz Kafka nie gesehen.
Die deutsche Neuausgabe von Arthur Machens Romans hat die Chance vertan – wie es etwa heutige englischsprachige Ausgaben von Der geheime Glanz handhaben – den Roman in voller Länge zu bringen. Ich habe die beiden herausgeschmissenen Kapitel im Original gelesen und kann hier nur vermitteln, dass sie zum Teil zum sprachlich Schönsten gehören, was Machen je geschrieben hat. Die Handlung lässt Meyrick sich erneut in eine Frau verlieben, mit der er auch zusammenkommt, um dann mit ihr gemeinsam den Hüter der heiligen Schale aufzusuchen und sein Erbe anzutreten. Dass deutsche Leser das nicht lesen dürfen, ist sehr sehr schade.
Aber wie schon im Falle von Die drei Häscher möchte ich die Neuausgabe keinesfalls schlechtreden, denn dafür ist die gesamte Edition einfach zu verdienstreich. Es macht halt nur traurig, dass man mit relativ geringem Aufwand einen sehr viel höheren Wirkungsgrad hätte erreichen können.
Der geheime Glanz wurde von Arthur Machen bereits ca. 1907 geschrieben (erschien also mit gut fünzehnjähriger Verspätung zum ersten Mal) und gehört damit zu seiner spirituellen Schreibphase, der auch die Meisterwerke Der Berg der Träume, Ornaments in Jade (nicht auf Deutsch erschienen), „Die weißen Gestalten“ und A Fragment of Life (nicht auf Deutsch erschienen) angehören. Entgegen der Werke seiner früheren Schauer-Schreibphase („Der große Pan“, Die drei Häscher etc.) überwiegen in diesen Geschichten das Streben der Protagonisten nach einem höheren, verborgenen Sinn des Lebens und die Schilderungen der unvergesslichen Schönheit der walisischen Heimat, die meist mit Wehmut und Heimweh aus der Fremde beschworen wird. So auch in Der geheime Glanz, einer verrückten Mischung aus Internatsroman und Gralssuche. Der junge Schüler und Vollwaise Ambrose Meyrick übersteht die Repressalien des englischen Privatschulsystems nur, indem er nach außen hin die Rolle des „männlichen“ Musterschülers spielt, in Wahrheit aber mit seinem sensiblen, grenzenlosen Geist nur in Warteposition steht, um in seine walisische Heimat zurückzukehren und eine ekstatische Reise jenseits der bekannten Realität in die Tat umzusetzen.
Machen neigt in diesem Werk streckenweise zum Lamentieren, was einige langatmige Sequenzen zur Folge hat. Daneben hat der Roman aber große Momente, insbesondere in seinen rauschhaften Landschaftsbeschwörungen und den zarten Liebesanfängen, die Joachim Kalka in ein sinnliches und teilweise wunderbar delirierendes Deutsch übertragen hat.
Als Bonus-Material enthält der Band die beiden kurzen Episoden „Die heiligen Dinge“ und „Psychologie“ aus dem Band Ornaments in Jade, die so, ohne den Zusammenhalt des gesamten Bandes von Prosagedichten doch arg in der Luft hängen, obwohl man natürlich für jeden neuübersetzten Text Machens einfach nur dankbar sein muss.

Originalausgabe: The Secret Glory (1922)
Deutsche Übersetzung: Joachim Kalka
Berlin: Elfenbein Verlag, 2019

Ein Kommentar zu “Arthur Machen | Der geheime Glanz

  1. Und auch diesen Band habe ich mir gekauft. Interessante Infos die Du präsentierst. Ich frage mich, ob das für mich persönlich etwas geändert hätte. Bei diesem Band muss ich nämlich eingestehen, dass ich so meine Schwierigkeiten mit ihm hatte (bezogen auf die Hauptgeschichte). Ich fand diese sehr verquast und zäh. Damit bin ich nicht so richtig warm genommen. War im Übrigen der dritte Band, den ich gelesen hatte. An zweiter Stelle kam bei mir „Der Schrecken“. Den fand ich sehr dicht und atmosphärisch. Hat mir bisher am besten gefallen. Just habe ich mit „Die leuchtende Pyramide“ angefangen. Die Titelgeschichte fand ich sehr gut, wenngleich das Ende sehr abrupt kam. Dadurch hat das Ende auf mich etwas antiklimaktisch gewirkt.

    Einmal mehr eine schöne Rezi, Frank.

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